Asphaltrennen (1971) – Ein Road-Movie der anderen Art

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Monte Hellmans Asphaltrennen (Two-Lane Blacktop) ist ein Film, der sich mit klassischen Erzählstrukturen nicht lange aufhält. Es gibt keine Hintergrundgeschichten, keine dramatischen Wendepunkte und keinen klaren Abschluss. Stattdessen bekommen wir einen wortkargen, fast dokumentarischen Einblick in das Leben zweier junger Männer, die mit ihrem 1955er Chevy durch Amerika fahren und an illegalen Straßenrennen teilnehmen. Doch unter der rauen Oberfläche steckt mehr als nur Motorenlärm und Asphalt – Asphaltrennen ist ein existenzialistisches Meisterwerk, das sich mit Themen wie Identität, Freiheit und der Unmöglichkeit von Erfüllung auseinandersetzt.


Ein Rennen ohne Sieger

Die beiden Hauptfiguren des Films, schlicht Der Fahrer (James Taylor) und Der Mechaniker (Dennis Wilson) genannt, leben für den Moment. Ihr Ziel? So viele Straßenrennen wie möglich gewinnen, um sich durchzuschlagen und den Mythos des schnellen Autos am Leben zu erhalten. Die beiden kommunizieren kaum miteinander – ihre Beziehung scheint mehr von der gemeinsamen Obsession für ihren Wagen geprägt zu sein als von echten Emotionen.

Unterwegs treffen sie auf eine namenlose Anhalterin (Laurie Bird), die sich ihnen anschließt, ohne dass darüber groß Worte verloren werden. Sie spricht zwar mehr als die beiden Männer, bleibt aber ebenso rätselhaft. Ihr Interesse an den beiden Männern wechselt ebenso schnell wie ihre Stimmung.

Die wichtigste Begegnung ist jedoch die mit GTO (Warren Oates), einem Mann mittleren Alters, der in einem quietschbunten Pontiac GTO unterwegs ist und ständig neue Lügengeschichten über sein Leben erzählt. Ein spontanes Wettrennen wird vereinbart: Wer als Erster Washington, D.C. erreicht, bekommt das Auto des anderen. Doch wie so vieles in diesem Film ist auch dieses Rennen nur ein Vorwand.

Gesichter ohne Vergangenheit

Monte Hellman interessiert sich nicht für die Vorgeschichten seiner Figuren. Weder erfahren wir, woher sie kommen, noch warum sie tun, was sie tun. Sie existieren in einer Art Blase, die von Benzin und Asphalt zusammengehalten wird.

James Taylor, der damals als Singer-Songwriter bekannt war, spielt seinen Fahrer mit stoischer Gelassenheit – sein Gesicht bleibt regungslos, egal ob er ein Rennen gewinnt oder verliert. Dennis Wilson als Mechaniker wirkt wie jemand, der mit der Welt im Reinen ist, solange er unter einer Motorhaube schrauben kann.

Warren Oates ist das emotionale Herzstück des Films. Sein GTO ist ein Mann, der sich in seinen eigenen Lügen verliert, sich eine neue Identität nach der anderen ausdenkt und verzweifelt nach Anschluss sucht. Er repräsentiert die dunkle Seite des American Dream – die Leere, die bleibt, wenn man zwar alles besitzt, aber nichts davon eine Bedeutung hat.

Die Straße als einzige Konstante

Asphaltrennen ist ein Film über Bewegung, aber nicht über Fortschritt. Es geht nicht darum, irgendwo anzukommen, sondern einfach darum, weiterzufahren. Die Straße ist der einzige rote Faden, der alles zusammenhält.

Die Inszenierung von Monte Hellman ist radikal minimalistisch. Die Kamera hält lange auf den Figuren, es gibt keine hektischen Schnitte, keine klassische Filmmusik, sondern nur das Dröhnen der Motoren und die Geräusche der Straße. Das Tempo ist gemächlich – wer sich auf den Film einlässt, wird belohnt, doch wer Action erwartet, wird sich schnell langweilen.

Der Film endet genauso abrupt, wie er beginnt: Die Filmrolle „verbrennt“ im Projektor, das Bild zerfällt in Dunkelheit. Ein metaphorischer Schlusspunkt, der verdeutlicht: Diese Geschichte hatte nie ein wirkliches Ziel.

Ein Film, der Zeit brauchte, um Kult zu werden

Als Asphaltrennen 1971 in die Kinos kam, fiel er beim Publikum durch. Zu langsam, zu rätselhaft, zu unkonventionell – der Film passte nicht in eine Zeit, in der Kinohits klare Helden, große Emotionen und zufriedenstellende Enden boten. Doch mit den Jahren entwickelte sich der Film zum Geheimtipp und wurde schließlich zum Kultklassiker.

2012 wurde er in das National Film Registry der Library of Congress aufgenommen – eine Ehre, die nur Filmen zuteilwird, die als kulturell oder historisch bedeutsam angesehen werden.

Fazit: Ein Road-Movie für Puristen

Asphaltrennen ist ein Film für Liebhaber des New-Hollywood-Kinos, für Fans von Filmen, die nicht alles erklären, sondern ein Gefühl vermitteln. Wer mit Filmen wie Easy Rider oder Vanishing Point etwas anfangen kann, wird sich hier zuhause fühlen.

Es ist ein Film, der sich mit jeder Sichtung anders anfühlt – mal als Meditation über das Unterwegssein, mal als Abgesang auf den American Dream. Aber eines ist sicher: Asphaltrennen ist kein Film, den man einfach konsumiert. Er fordert Geduld, aber wer sich darauf einlässt, bekommt einen der ungewöhnlichsten Road-Movies aller Zeiten zu sehen.

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