Historische Stoffe und Fernsehabenteuer der 70er Jahre
In den 1970er Jahren waren historische Stoffe angesagt. Der Räuberhauptmann „Rinaldo Rinaldini“ hatte erfolgreich und in Farbe im Vorabendprogramm der ARD sein Unwesen getrieben, und Samstag nachmittags setzte das Erste dann mit einem mehrteiligen Historienspektakel aus Frankreich nach und tischte dem Zuschauer die atemberaubenden „Abenteuer des Chevalier de Recci“ auf, gespielt von Robert Etcheverry, der kurz danach im ZDF als „Arpad der Zigeuner“ die Obrigkeit das Fürchten lehren sollte. Doch ehe es soweit war, hatte sich das ZDF eine deutsch-österreichische Historienserie ausgedacht und auch gleich einen Wunschkandidaten für die Rolle des Leutnant von Rotteck auserkoren – der allerdings überhaupt nicht auf die Rolle eines österreichischen Offiziers passen wollte und wohl eine totale Fehlbesetzung gewesen wäre. Um ein Haar wäre die Produktion gescheitert, doch schließlich wich man auf einen Darsteller aus, der auch schon im Kino für Edgar Wallace auf Gangsterjagd gegangen war – Klaus-Jürgen Wussow. Er hatte genau den Charme und Schneid, den die Rolle des österreichischen Leutnants erforderte.
Die Handlung und der Kampf um Schlesien
Wir befinden uns mitten im Siebenjährigen Krieg, irgendwann zwischen 1756 und 1763. Kaiserin Maria Theresia und der Preußenkönig Friedrich II. stritten sich damals um den Besitz Schlesiens, und da der Preuße der charmanten österreichischen Kaiserin dann doch etwas zu forsch auf die Pelle rückte, musste er „abgewatscht“ werden, wie man in der Alpenmonarchie so schön zu sagen pflegte. So kam es, dass die Österreicher und die Preußen sich gegenseitig ordentlich auf die Mütze hauen, unterstützt von den Franzosen bzw. den Engländern und Russen.
Der tapfere Leutnant von Rotteck und seine Abenteuer
Zwischen den Kriegsschauplätzen, die sich hauptsächlich in Europa verstreut befanden, ritt ein Mann hin und her und brachte Depeschen vom österreichischen Kaiserhof zu den Befehlshabern im Felde – und dieser Mann war Leutnant von Rotteck. Zusammen mit seinem treuen Diener und Knappen Padua, einem Zigeuner (das durfte man damals noch problemlos sagen), galoppiert Leutnant Rotteck also von einem Scharmützel zum nächsten und von dort wieder nach Schloss Schönbrunn, und nach dem Willen der Drehbuchautoren gerät der Kurier ihrer Majestät der Kaiserin dabei immer wieder in irgendeinen Schlamassel.
Kampf, Abenteuer und eine hübsche Romanze
Ob er sich nun mit einem preußischen Offizier ein Duell auf Leben und Tod wie weiland Don Quichotte liefern muss, oder ob er gegen Wegelagerer kämpfen, holde Maiden aus den Fängen böser Unholde befreien oder Waffenhändler mit List und Tücke austricksen muss, Leutnant Rotteck fällt immer etwas ein. Nur in einer Beziehung hat der gutaussehende und obendrein noch charmante Haudegen Pech – die Damen geraten ihm allzu häufig um ein Haar zum Verhängnis, und mehrmals entgeht er nur knapp dem Schicksal, für immer mit einer lieblichen Schönen verbandelt zu werden. Aber selbst der Harem eines türkischen Paschas kann Leutnant Rotteck nicht halten, denn für ihn gibt es nur eine Liebe – seine Kaiserin Maria Theresia und natürlich sein Vaterland.
Die charmante Chemie zwischen den Darstellern
Leider hat es sich Maria Theresia in den Kopf gesetzt, ihrerseits den feschen Leutnant unter die Haube zu bringen, und so findet sich Rotteck in der ersten Folge gleich bis zur gepuderten Perücke in Schwierigkeiten, aus denen er sich nur mit allergrößter Mühe und Bauernschläue befreien kann – und daher ist er heilfroh, als ihn ihre Majestät kurz darauf mit einer weiteren Depesche von dannen schickt und der Kurier der Kaiserin zusammen mit Padua wieder durch Wälder und über Wiesen preschen darf – um gleich darauf auf einer strategisch wichtigen Brücke seinem preußischen Gegenstück, Leutnant von Buckow, gegenüber zu stehen und sich mit ihm ein Gefecht auf Leben und Tod zu liefern.
Sympathische Unterhaltung im Familienprogramm
Natürlich geht alles gut aus, obwohl ordentlich gehauen, gerauft, gekniffen und gesoffen wird (Klaus-Jürgen Wussow übernahm übrigens alle Stunts selbst und handelte sich dabei allerhand Blessuren ein), denn es handelt sich ja um eine Serie fürs Familienprogramm – sympathische Unterhaltung und mit viel Augenzwinkern erzählte Geschichten in historischem Gewand servierte uns das ZDF mit dem „Kurier der Kaiserin“. Im Herbst des Jahres 1970 ging es los, und ich erinnere mich sehr genau, dass meine Familie keine einzige Folge verpasste.
Erinnerungen an eine gelungene Fernsehproduktion
Klaus-Jürgen Wussow spielte sich rasch in die Herzen der Zuschauer, und Matthias Grimm in der Rolle des gewitzten Knappen Padua war vor allem bei uns Kindern beliebt, weil er zu allen Schandtaten bereit war, um seinen Herrn und Meister zu unterstützen. Den Gegenspieler des Leutnant Rotteck gibt Volkert Kraeft mit sichtlichem Spaß, und man sieht allen Beteiligten an, dass sie sich in ihren Rollen durchaus wohl fühlen.
Wundervolle Außenaufnahmen und Nostalgie
Großes Vergnügen bereitet beim Zusehen auch die Eingangssequenz, in der Leutnant Rotteck und Padua den langen Zufahrtsweg zum Schloss Schönbrunn in Wien entlang galoppieren, worauf Rotteck dann wenig später die breite Eingangstreppe empor eilt, um bei der Kaiserin vorzusprechen, die ihn mit dem charmantesten Lächeln, das man von einer Herrscherin erwarten darf, empfängt… rund 10 Jahre später besuchte ich selbst Schloss Schönbrunn zusammen mit meiner Familie, und wir erinnerten uns genau an die Stellen, die wir in der Serie gesehen hatten, und da hieß es: „Schau, da ist er entlang geritten, der Kurier der Kaiserin…!“
Unvergessliche Jugenderinnerungen und die DVD-Edition
Was ich allerdings erst erfuhr, als ich das Interview mit Regisseur Herman Leitner (er schenkte uns wunderbare Nachkriegsfilme wie „Ferien auf Immenhof“ und „Heimweh nach dir, mein grünes Tal“ sowie Serienklassiker wie „Luis Trenker’s Luftsprünge“, „Sonne, Wein und harte Nüsse“, „Polizeifunk ruft“ und „Hamburg Transit“) sah, war die Tatsache, dass die Außenaufnahmen der Serie „Der Kurier der Kaiserin“ vor den Toren der Heimatstadt meiner Mutter und Großmutter stattgefunden hatten. Damit war dann klar, warum meine Mutter immer glänzende Augen bekam, wenn sie die Abenteuer des Leutnant Rotteck auf dem Bildschirm verfolgte.
Fazit: Nostalgie pur auf DVD
Ich war damals gerade 11 Jahre alt und „Der Kurier der Kaiserin“ gehörte für mich zu meinen Lieblingsserien. Lange war mir die von Peter Thomass (der auf den DVDs übrigens ebenfalls für ein ausführliches Interview zur Verfügung stand) und Hermann Leitner erdachte und komponierte Titelmelodie im Ohr geblieben. Die Jahre vergingen und Klaus-Jürgen Wussow landete mit „Sergeant Berry“ einen weiteren Vorabend-Serienhit, ließ mir in diversen gruseligen Edgar Wallace Filmen das Blut in den Adern stocken und schlug dann im Schwarzwald und in der dortigen Fernsehklinik sein Domizil auf. Matthias Grimm verlegte sich auf das Synchronisieren und verschwand weitgehend vom Bildschirm, und Volkert Kraeft versuchte sich in allen möglichen Gast- und Hauptrollen in Familien- und Krimiserien und Fernsehfilmen, bis er zuletzt dann Mitglied der Fernseh-Försterfamilie Rombach im bayrischen Falkenau wurde und Anouschka Renzi den Hof machte.
Dank der DVD-Edition von „Der Kurier der Kaiserin“ kann man Leutnant Rotteck nach mehr als vierzig Jahren auf seinen Abenteuern begleiten. Jugenderinnerungen an wunderbare Fernsehabende werden wach, und die Aufmachung der farbenprächtig mit dünnem rotem und blauem Samt überzogenen DVD-Boxen sowie die liebevoll gestalteten Booklets wissen ebenfalls zu begeistern. Für Freunde prachtvoll ausgestatteter und unterhaltsamer deutscher Fernsehserienproduktionen ist die Anschaffung der beiden DVD-Boxen sehr zu empfehlen.