Der Einstieg: Christian Anders auf meinem Bildschirm
Der Zug nach Nirgendwo fuhr – allerdings nicht dorthin, sondern auf meinen Bildschirm. Man kann zu dem ehemaligen Schlagerbarden Christian Anders und seinen Allüren als Sänger, Schauspieler und Esoterik-Guru stehen, wie man will, aber er war einer der „Helden“ meiner Jugendtage. Nachdem er bereits in einem bemerkenswerten Fotoroman mit dem Titel „Steve Tender gegen die Karate-Killer“ in diversen Zeitschriften seine Kampfkünste zur Schau stellen konnte (und mich damit auch dazu brachte, regelmäßig eine Jugendzeitschrift zu kaufen), war es nur eine Frage der Zeit, bis Christian Anders vor die Filmkamera trat in die Brut des Bösen.
Ein Kult-Rohrkrepierer entsteht die Brut des Bösen
Dabei herausgekommen ist der heute zu den Kult-Rohrkrepierern des Easternfilms und des europäischen Kinos gehörende Streifen „Die Brut des Bösen“. Wie wir durch Interviews erfahren, war 007 Sean Connery nicht ganz unbeteiligt an der Realisierung dieses Filmprojektes, lebten einige der Macher doch in seiner Nachbarschaft. Nun, Sean Connery war vom Endergebnis dann wohl doch genauso angetan wie Tim Burton, der den Streifen offenbar zu seinen Lieblingsfilmen zählt. Warum? Wegen der Mitwirkung des zwergwüchsigen Hauptdarstellers Deep Roy. Der Tausendsassa Christian Anders, über den man sich im Bonusmaterial recht lobend äußert, zeichnete denn auch für Drehbuch, Soundtrack, Regie und Hauptrolle verantwortlich.
Die Handlung: Eastern meets Europakino
Frank Mertens betreibt eine kleine Kampfsportschule in Madrid. Die allerdings ist dem kleinwüchsigen Drogenhändler Van Bullock ein Dorn im Auge, will er das benachbarte Gebäude doch erwerben und zum Stützpunkt seiner kriminellen Machenschaften ausbauen, zugleich aber auch aus Mertens‘ Dojo eine große Karateschule für seine Schläger machen. Nachdem sämtliche Überredungsversuche des cholerischen Zwerges scheitern und Mertens seiner Schlägertruppe in bester Bruce Lee–Manier ordentlich die Flügel stutzt, sorgt Van Bullock dafür, dass Frank Mertens durch untergeschobenes Belastungsmaterial im Knast landet. Doch damit geht der Gnom zu weit, und bald muss er einsehen, dass es nicht ganz so einfach ist, einen Frank Mertens auf Eis zu legen. Im Hauptquartier des Zwerges kommt es schließlich zur entscheidenden Auseinandersetzung…
Humor und Overacting: Christian Anders in Bestform
Natürlich tut sich jeder Easternfan schwer, die Brut des Bösen ernst zu nehmen. Dafür sorgen schon Bruce Le‘s Grimassen und Bruce Lee’s Katzenjammer, die Christian Anders treffend imitiert. Da fehlt dann nur noch, dass er sich mit dem Daumen über die Nase streicht. Das erspart er uns denn doch. Anders‘ Freund und Kampfsportlehrer Wolfgang Schütte, der vor den Dreharbeiten durch einen Unfall schwer verletzt wurde, darf sich in diesem Streifen auch ein paar Maulschellen einfangen.
Synchronisation und Retro-Charme
Wenn man die deutsche Synchronisation (obwohl hochkarätig besetzt mit Manfred Seipold und Wolfgang Hess) ignoriert und dem englischen Original den Vorzug gibt, kommt der Streifen durchaus ernst und goutierbar daher und kann sich in der Riege der vielen internationalen Retro-Actionklopper auch behaupten. Da haben wir aus Asien und den USA und natürlich auch aus Südeuropa schon sehr viel Übleres vor die Pupille bekommen.
Deep Roy und Kuriositäten im Drehbuch von die Brut des Bösen
Doch außer Christian Anders‘ Overacting hat der Streifen doch noch ein paar Kuriositäten zu bieten. Allen voran ist da der Zwerg Deep Roy zu nennen, der seine Rolle perfekt ausfüllt, doch das Drehbuch hält leider seine Zügel ziemlich straff. Vieles wird angedeutet, aber Deep Roy hätte noch wesentlich weiter gehen können.
Sexploitation? Fehlanzeige!
Auch in Sachen Sexploitation, die hier ja durchaus auch ihren Platz gehabt hätte, hält sich Christian Anders noch sehr zurück – später lässt er dann mit Laura Gemser in „Die Todesgöttin des Liebescamps“ die Sau raus. So sieht man genau, dass Dunja Rajters Nippel in der Bettszene abgeklebt sind (ist fast so wie die Nippelzensur auf Facebook) und auch Deep Roy seinen Bettgespielinnen die züchtig verhüllten Brüste und abgeklebten unteren Körperpartien nicht begrabschen darf. Da ist man von europäischen Produktionen der späten 1970er Jahre einfach Anderes und vor allem Heftigeres gewohnt.
Stilistische Absurditäten
Seltsam mutet dann auch an, dass ein deutsches Firmenschild an einem Gebäude in Madrid zu finden ist und Christian Anders‘ goldener Rolls Royce (mit dem er laut Aussage diverser Schlagerkolleginnen und -kollegen jener Tage auch schon mal vor den Hitparade-Studios vorgefahren sein soll) mit Münchner Nummernschild durch Madrid rollt.
Das enttäuschende Finale
Das einzig wirklich Enttäuschende ist dann das Ende des Films, das Vieles offen lässt. Ein Sequel hätte nicht nur Deep Roy sich gewünscht, wurde aber leider nie realisiert.
Fazit: Kultige Pflicht für Sammler
Insgesamt sollte man sich diesen Film aber auf jeden Fall in die Sammlung stellen, da kann man größere Fehler machen. Als europäischer Actionklopper geht er definitiv durch und macht nicht unbedingt die schlechteste Figur.