RETRO-FILM

Vergessen war gestern, wir sprechen darüber!

Drama Thriller

EXTREM – MIT ALLEN MITTELN (1996) – Ein kalter Schnitt zwischen Moral und Macht

Spread the love

EXTREM – MIT ALLEN MITTELN (1996) – Ein kalter Schnitt zwischen Moral und Macht

„Wenn die Wissenschaft Gott spielt, braucht’s mehr als einen Skalpellträger mit Gewissen.“

In einer Ära, in der Genforschung, Organhandel und medizinische Grenzgänge langsam aber sicher in den Thriller-Olymp aufstiegen, wagte sich Michael Apted mit „Extrem – Mit allen Mitteln“ an ein Thema, das ebenso hochaktuell wie verstörend war: medizinische Experimente an Obdachlosen – für das „größere Wohl“. Das Ganze verpackt in ein düsteres Katz-und-Maus-Spiel, irgendwo zwischen Krankenhaus, Moralabgrund und U-Bahn-Schacht. Willkommen in einem der unterschätzten 90er-Thriller mit Hugh Grant in ungewohnt ernster Rolle – und einem Gene Hackman, der moralisch so kalt ist, dass man sich beim Zusehen eine Decke holen möchte.


Worum geht’s?

Dr. Guy Luthan (Hugh Grant) ist ein ambitionierter Notfallarzt in einem New Yorker Krankenhaus. Als ein Obdachloser mit merkwürdigen Symptomen eingeliefert wird und plötzlich stirbt, beginnt Luthan zu ahnen, dass da etwas nicht stimmt. Noch seltsamer: Die Leiche verschwindet, und niemand – weder Kollegen noch Verwaltung – will irgendetwas wissen.

Bei seinen Nachforschungen stößt Luthan auf ein medizinisches Komplott: ein geheimes Projekt unter der Leitung des renommierten Dr. Lawrence Myrick (Gene Hackman), das ethisch so fragwürdig ist, wie es nur sein kann: Schwerkranke Obdachlose werden entführt und als Versuchsobjekte für neurologische Forschungen missbraucht – angeblich im Dienst der Menschheit.

Doch Luthan will nicht wegsehen. Und das macht ihn zur Zielscheibe. Ab hier wird’s persönlich – und gefährlich.


Hugh Grant – Der Arzt, dem die Naivität langsam vergeht

Der ewige Charmeur der 90er-Romanzen spielt hier erstaunlich geerdet, ernst und kantig. Als Dr. Luthan ist er ein Mann, der auf die Grundwerte des Hippokratischen Eids pocht – bis er merkt, dass Ethik im Klinikbetrieb schnell zur Luxusware wird. Grant zeigt glaubhaft, wie ein gutgläubiger Arzt langsam zum Getriebenen wird – ohne dabei in Hollywood-Heldentum abzurutschen. Ein spannender Bruch mit seinem Image, der heute oft vergessen wird.


Gene Hackman – Kälte mit Kittel

Und dann: Gene Hackman. In einer seiner klassisch-kühlen Rollen spielt er Dr. Myrick mit einer Mischung aus väterlicher Autorität, intellektuellem Übermut und unheilvoller Arroganz. Er glaubt wirklich, das Richtige zu tun – und genau das macht ihn so gefährlich. Kein Schurke im klassischen Sinne, sondern ein Mann, der die Moral längst gegen Effizienz eingetauscht hat.

Hackman spielt nicht – er doziert, urteilt, kalkuliert. Und man glaubt ihm jedes Wort. Eine dieser Rollen, in denen er nicht laut werden muss, um bedrohlich zu sein.


Inszenierung & Atmosphäre – Klinisch, kalt, kontrolliert

Regisseur Michael Apted (bekannt u. a. durch Gorillas im Nebel und später James Bond – Die Welt ist nicht genug) hält die Spannung durchweg hoch. Er inszeniert kühl, sachlich – fast steril –, was zum Thema perfekt passt. Die Stadt wirkt anonym, die Flure leer, die Dialoge präzise. Kein überflüssiger Schnickschnack, kein Effekt-Overkill – ein klassischer 90er-Thriller mit einem Bein im Politkino.

Die Musik von Danny Elfman bleibt zurückhaltend und unterstreicht die düstere, nachdenkliche Grundstimmung.


Fun Facts & Hintergrund

  • Produziert wurde der Film von Elizabeth Hurley, damals Hugh Grants Lebensgefährtin – über ihre eigene Firma Simian Films.
  • Der Film basiert auf dem Roman von Michael Palmer, selbst Arzt und Thrillerautor – medizinisch also nicht ganz aus der Luft gegriffen.
  • Das Drehbuch stammt von Tony Gilroy, der später mit Michael Clayton und Bourne brillieren sollte.
  • Hugh Grant nannte den Film später eine seiner persönlich wichtigsten Rollen, gerade weil er gegen sein Image anspielte.

Fazit: Ethik trifft Spannung – mit Skalpell auf Kante

Extrem – Mit allen Mitteln ist kein Actiongewitter, kein Hochglanz-Bestsellerkino. Es ist ein ruhiger, spannender, nachdenklicher Thriller, der moralische Fragen aufwirft, ohne den Holzhammer zu schwingen. Hugh Grant überrascht, Gene Hackman brilliert – und das Thema bleibt auch heute, fast 30 Jahre später, erschreckend aktuell.

Für Fans von intelligentem 90er-Kino mit Retro-Vibe, moralischem Unterbau und starbesetztem Kammerspiel-Flair eine klare Empfehlung.

Retro-Bewertung: 8 von 10 Ampullen – ethisch fragwürdig, filmisch stark dosiert.

 

Loading

Kommentar verfassen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahren Sie, wie Ihre Kommentardaten verarbeitet werden..

Stefan Retro
Seit nun mehr zwei Jahrzehnten habe ich mich den Filmen aus den 50er bis Ende der 90er verschworen. Meine private Filmsammlung wächst stetig und hat mittlerweile eine fünfstellige Zahl erreicht. Sei es VHS, HD DVD, DVD, Blu-ray - bei mir findet alles seinen Platz! Kommt mit auf die Reise in die Vergangenheit!