Gloria (1980) – Eine knallharte Patin mit Herz

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Gloria (1980) – Eine knallharte Patin mit Herz

John Cassavetes war nie der Typ für klassische Hollywood-Streifen. Mit „Gloria“ (1980) inszenierte er aber einen Gangsterfilm, der seine unverkennbare Handschrift trägt: roh, direkt und mit einer ungeschönten Intensität, die unter die Haut geht. In der Hauptrolle brilliert Gena Rowlands als knallharte Ex-Mafiabraut, die sich widerwillig um einen kleinen Jungen kümmern muss – und dabei zur ungekrönten Schutzpatronin der New Yorker Hinterhöfe wird.

Handlung: Ein ungleiches Duo auf der Flucht

New York, Anfang der 80er: Der kleine Phil Dawn (John Adames) wird über Nacht zur Zielscheibe der Mafia. Sein Vater war Buchhalter für das Syndikat und hat brisante Informationen gesammelt. Als die Gangster seine Familie auslöschen, landet Phil in der Obhut der Nachbarin Gloria Swenson (Gena Rowlands) – einer ehemaligen Mafia-Braut, die eigentlich mit dem kriminellen Leben abgeschlossen hat.

Doch Gloria ist nicht der Typ für sentimentales Gejammer oder Muttergefühle. Zähneknirschend nimmt sie den Jungen mit sich – und gerät prompt ins Visier der Unterwelt. Ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt: Während die Mafia sie durch die Straßen jagt, muss Gloria beweisen, dass sie mit einem Revolver genauso souverän umgeht wie mit bissigen Sprüchen.

Cassavetes bricht mit Konventionen

Auf den ersten Blick könnte man „Gloria“ für einen klassischen Action-Thriller halten. Doch John Cassavetes geht es um mehr als Schusswechsel und Verfolgungsjagden. Er inszeniert seinen Film als Charakterstudie einer Frau, die zwischen Abgeklärtheit und unerwartetem Verantwortungsgefühl schwankt.

Gloria ist keine typische Heldin: Sie ist hart, sarkastisch und hat mit Kindern eigentlich nichts am Hut. Doch genau das macht ihre Wandlung so faszinierend. Sie kämpft nicht aus Pflichtbewusstsein, sondern weil sie sich in eine Ecke gedrängt fühlt – und weil sie sich selbst überrascht, als sie feststellt, dass sie diesen Jungen tatsächlich beschützen will.

Rowlands’ Performance ist schlicht überragend. Ihre Gloria ist weder überzeichnet noch übermäßig sentimental. Sie ist eine Frau, die das Leben gelehrt hat, niemandem zu vertrauen – und die doch wider Willen eine Art mütterlichen Instinkt entwickelt.

Ein düsteres New York als Spielfeld der Gewalt

Cassavetes zeichnet ein ungeschöntes Bild von New York: verregnete Straßen, heruntergekommene Viertel und ein allgegenwärtiges Gefühl der Bedrohung. Die Kamera von Fred Schuler fängt die Stadt als gefährlichen Dschungel ein, in dem nur der Stärkste überlebt.

Die Actionszenen sind nicht spektakulär, sondern roh und realistisch. Kein übertriebener Heldentum, keine Explosionen – stattdessen schnelle, brutale Gewalt, die einschlägt wie ein Schlag in die Magengrube.

Und dann ist da noch der kleine John Adames. Seine Performance wurde damals mit einer Goldenen Himbeere als „schlechtester Newcomer“ abgestraft – völlig zu Unrecht. Ja, sein Schauspiel ist manchmal holprig, aber genau das macht seinen Charakter so authentisch. Er ist kein nerviges Filmkind, sondern ein verängstigter Junge, der versucht, erwachsener zu wirken, als er ist.

Fazit: Eine ungeschönte Gangster-Odyssee mit Herz

„Gloria“ ist ein Thriller, der sich konsequent gegen Hollywood-Klischees stellt. Keine glatte Inszenierung, keine übertriebene Dramatik – stattdessen eine dichte, intensive Geschichte über eine Frau, die sich aus Versehen in eine Mutterrolle katapultiert und darin über sich hinauswächst.

Gena Rowlands liefert eine der besten Performances ihrer Karriere ab, während Cassavetes mit einem ungewöhnlichen Erzählstil punktet. Ein packender, ungeschönter Thriller, der auch nach über 40 Jahren nichts von seiner Wucht verloren hat.

8/10 – Eine Gangsterballade ohne Schnörkel, aber mit Seele.

 

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