Ein junger amerikanischer Schriftsteller, Dalmas, der seit Jahren in Rom lebt, wird eines Abends Zeuge eines Überfalls in einer Kunstgalerie. Ein Mann in schwarzem Mantel und schwarzen Handschuhen droht, eine junge Frau umzubringen. Dalmas versucht der Galeriebesitzerin, Frau Raniere, zu Hilfe zu kommen, gerät dabei aber selbst in eine Falle. Die Polizei verhört Dalmas und nimmt ihm seinen Pass ab, um ihm die Rückreise nach Amerika unmöglich zu machen. Er ist gezwungen, an der Aufklärung des geheimnisvollen Falles mitzuarbeiten, dies umso mehr, als weitere mysteriöse Morde geschehen, denen immer junge, hübsche Frauen zum Opfer fallen. Dalmas und seine Freundin stellen sich freiwillig als Spürhunde zur Verfügung…
Die Kritik beruht auf der Fassung eines namentlich nicht bekannten
Bootlegs. Erwähnenswert sei an dieser Stelle, dass der Film nicht nur
erstmals komplett ungeschnitten veröffentlicht wurde, sondern außerdem
in einer hervorragenden Bild- und Tonqualität, die die beschämende
Auflage von Universum in den Schatten stellt!
“Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe” ist das wegweisende Frühwerk
Dario Argentos – ein reinrassiger Giallo, der in Deutschland zur
besseren Vermarktung unter dem Deckmantel der “Bryan Edgar
Wallace”-Verfilmungen in die Lichtspielhäuser gebracht wurde.
Artur Brauner, deutscher Erfolgsproduzent mit jüdischen Wurzeln und
größter Konkurrent von Horst Wendtland von der Rialto Film, brachte
Anfang der 60er Jahre im Zuge der Erfolgswelle der
“Wallace”-Verfilmungen seine eigene “Wallace”-Filmreihe ins Kino –
allerdings basierten seine Adaptionen wie “Der Henker von London”,
“Der Würger von Schloss Blackmoor” oder “Das Phantom von Soho” lose
auf Romanen von Bryan Edgar, dem weniger erfolgreichen Sohn von Edgar
Wallace.
Ansonsten kopierte Brauner das einfache Konzept der Rialto Film dreist
ab, verpflichtete teilweise mit Schauspielern wie Dieter Borsche oder
Karin Dor und Regisseur Harald Reinl zugkräftige Namen aus dem
Rialto-Stammpersonal, aber bis auf ganz wenige Titel konnte kaum eines
der Werke den Charme der Original-“Wallace”-Reihe erreichen.
Als 1969 Wendtlands Rialto Film eine Co-Produktion mit den Italienern
einging und mit “Das Gesicht im Dunkeln” den ersten Giallo-Beitrag
innerhalb der Reihe präsentierte, war es ebenfalls Brauner, der mit
seiner “Bryan Edgar Wallace”-Verfilmung “Das Geheimnis der schwarzen
Handschuhe” einen Thriller gleicher Machart ins Rennen schickte und
diesmal nicht nur erfolgreicher an den Kinokassen war, sondern mit
Argentos Film-Debut auch den mit Abstand besseren Film ablieferte.
Dabei ist das Prädikat “Bryan Edgar Wallace” eine Mogelpackung, denn
die Handlung von Argentos Drehbuch basiert auf dem Roman des
Schriftstellers Frederic Brown. Da aber der Name “Wallace” zur
damaligen Zeit die Kassen klingeln ließ, wurden die “schwarzen
Handschuhe” als “Wallace”-Verfilmung beworben. Dem durchaus positiven
Gesamteindruck des Films tut das keinen Abbruch.
“Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe” ist ein perfekt in Szene
gesetzter Thriller, der mit sehr viel Einfallsreichtum Strickmuster
des klassischen Kriminalfilms mit den Stilelementen des italienischen
Giallo verbindet – die im späteren Verlauf von Argentos Karriere in
Werken wie “Profondo Rosso” oder “Tenebre” ihren Höhepunkt finden
sollten.
Und so ist es eine angenehme Entwicklung – auch innerhalb des
unerschöpflichen Fundus der teilweise sehr unrealistischen
“Wallace”-Verfilmungen – die Einbeziehung wissenschaftlicher
Untersuchungen sowie Spurensuche und Befragungen am Tatort eines
Verbrechens, in den Fokus der Ermittlungen zu stellen und somit ein
authentisches Bild der Polizeiarbeit abzuliefern.
Die Ermittlungen von Inspector Morosini (sehr gut verkörpert von
Enrico Maria Salerno) verlaufen parallel zu den privaten
Nachforschungen von Sam Dalmas (Tony Musante), der zufällig Zeuge
eines Mordanschlags auf die Frau (Eva Renzi) des Galeristen Ranieri
wurde. Der Täter konnte unerkannt entkommen und wird in Verbindung mit
weiteren Frauenmorden gebracht, die Rom in Angst und Schrecken
versetzen.
Als auf Dalmas ebenfalls ein Anschlag verübt und seine Freundin (Suzy
Kendall) bedroht wird und das Vertrauen in die Polizei von Tag zu Tag
schwindet, setzt Dalmas alles daran, den Täter auf eigene Faust zur
Strecke zu bringen. Dabei stößt er auf ein schreckliches Geheimnis aus
der Vergangenheit, das der Grundstein für die brutalen Morde zu sein
scheint.
Die Handlung bedient sich ausgiebig bei den Versatzstücken des Genre
und auch inszenatorisch trägt “Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe”
eindeutig die Handschrift des Regisseurs: Argentos Faszination für
ausgefallene Farbkompositionen kommen ebenso zur Geltung wie
ausgeklügelte Kameraperspektiven – zwei grundlegende Merkmale seines
Stils:
Die Galerie Ranieri – Knotenpunkt der Mordserie und für Dalmas
Wahrnehmung – ist ein riesiger, hell erleuchteter und unterkühlter
Raum. Signora Ranieri trägt in ihrer ersten Szene ein Kostüm in
unschuldigem Weiß als Kontrast zu ihrem komplett in schwarz
gekleideten Angreifer. Im weiteren Verlauf der Handlung dominiert vor
allem die Farbe rot, allen voran natürlich in den sehr blutig
dargestellten Mordsequenzen oder in den Szenen, in denen der Killer
die kunstvoll auf einem roten Kissen arrangierten Mordwaffen
begutachtet, um sich für eine zu entscheiden.
Die subjektive Kamera, die graphisch sehr detaillierten Morde, die
phallusartigen Tatwaffen als Merkmal der psycho-sexuellen Motivation
des Täters – das alles verpackt in einer raffiniert erzählten,
schlüssigen Story – macht den unverkennbaren Stil des Meisters Argento
aus.
Ein homosexueller Antiquitätenhändler (Werner Peters in einer seiner
letzten Rollen), der stotternde Zuhälter “Servus”, der exzentrische
und Katzen fressende Maler Consalvi (Mario Adorf) – das alles sind
liebevoll skizzierte Charaktere, die Dalmas bei seinen Nachforschungen
über den Weg laufen, und die auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig
erscheinen – doch sind es gerade diese unkonventionellen Nebenfiguren,
die das Krimi-Puzzle perfekt machen.
“Das Geheimnis der schwarzen Handschuhe” ist ein frühes Meisterwerk im
Schaffen Argentos und der Grundstein für seine spätere Karriere. Der
Film braucht sicherlich seine Zeit um sich zu entwickeln, doch
spätestens nach einer halben Stunde hat die Handlung den Zuschauer in
ihrem Griff und sorgt für mordsmäßige Unterhaltung mit einem
grandiosen Score von Ennio Morricone.