„Twen Police“ – Eine (fast) vergessene Fernsehserien-Perle
Die Entstehungsgeschichte
Los Angeles, 1968. Mitten in der „Make Love not War“ Flower Power–Ära fallen zahlreiche junge Leute und auch erfahrene Verbrecher den Behörden negativ auf. Unter den Jugendlichen, „Langhaarigen“ und Hippies auf den Straßen der kalifornischen Metropole sind auch drei, auf die Polizei-Captain Adam Greer ein besonderes Auge geworfen hat – denn diese drei jungen Leute hat er sich für ein ganz besonderes Projekt auserwählt:
Die Hauptfiguren
Pete Cochrane, Sohn aus einer wohlhabenden Familie der High Society, wohlbehütet und in gehobenen Gesellschaftskreisen aufgewachsen, dennoch straffällig geworden und vorbestraft. Das war seine Art, gegen das Establishment und eine verlogene, heuchlerische Gesellschaft zu protestieren. Es fällt ihm schwer, seine Emotionen unter Kontrolle zu halten und er geht am Liebsten mit dem Kopf durch die Wand, was ihn nicht nur in Schwierigkeiten mit den Behörden, sondern auch mit schweren Jungs bringt.
Lincoln „Linc“ Hayes, aufgewachsen in der farbigen Community von Los Angeles. Eine Jugend geprägt von Armut und Straßengewalt, von Diebstahl und Raubüberfällen, von Rassismus und Bandenkriegen. Hochintelligent und desillusioniert versucht Linc Hayes seinen Weg in einer Gesellschaft zu gehen, in der Farbige im Abseits stehen und der Verliererstraße folgen. Unversehens in kriminelle Kreise und Bandenkriminalität verstrickt, wird die Jugend für Linc zum Überlebenskampf und endet mit Kriminalität und Vorstrafen. Der introvertierte junge Mann versucht, seine Gefühle vor einer gnadenlosen weißen Gesellschaft zu verbergen, der er oft haushoch überlegen ist. Nur selten gelingt es ihm.
Julie Barnes, die schöne Blondine mit dem betörenden Schlafzimmerblick, wuchs ohne Liebe bei einer Mutter auf, die wenig Zeit für sie und ihre Probleme hatte und sich lieber um wechselnde Männerbekanntschaften kümmerte. Meist waren es Männer, die sie ausnutzten und in den Sumpf des Verbrechens zogen. Sich selbst überlassen in einer kalten Welt ohne Liebe, geriet Julie auf die schiefe Bahn und landete in der Kartei jugendlicher Straftäter beim Los Angeles Police Department.
Captain Greer und das außergewöhnliche Projekt
Nur ein Mann glaubt an diese drei Jugendlichen, die von einer nachtragenden Gesellschaft längst abgeschrieben und fallengelassen wurden – Captain Adam Greer. In einer Stadt, in der die Polizei oft einen aussichtslosen Kampf gegen Horden unkontrollierbarer Jugendlicher führt, braucht Greer Mitarbeiter, die sich in diesen Kreisen ungehindert bewegen können und in Bereiche vorstoßen, die der Polizei oft verwehrt bleiben. Und so bildet der Captain gegen alle Widerstände diese drei jungen Menschen zu Spezialagenten der Polizei von Los Angeles aus. Nur sein direkter Vorgesetzter weiß von dem Projekt und ist skeptisch. Doch bereits der erste Einsatz, die Feuerprobe, zeigt, dass Greer die richtige Wahl getroffen hat. Und so folgen zahlreiche Undercover-Einsatze für die drei jungen Agenten, bei denen sie oft an ihre Grenzen stoßen, immer neue Erfahrungen machen und vor allem auch ihre Gefühlswelt oft durcheinandergerüttelt wird. Bald erkennt Greer, dass er für die drei so etwas wie ein großer Bruder oder manchmal gar Ersatzvater geworden ist und er sich hunderprozentig auf sie verlassen kann. Er erkennt auch, dass diese drei jugendlichen Straftäter einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und eine eigene Moral haben, und dass sie unter anderen Umständen und mit einem wohlwollenderen Umfeld niemals straffällig geworden wären…
Die Besonderheit der Serie
„Twen Police“ hieß diese Polizeiserie in Deutschland, wo leider nur wenige der weit über hundert Episoden ausgestrahlt wurden. Im Original war diese grandiose amerikanische Krimiserie „The Mod Squad“ betitelt. Was diese auf fünf Staffeln ausgedehnte Serie besonders macht und aus dem Gros der klassischen US-Krimiserien weit heraushebt, sind großartige Drehbücher, in denen nicht Schießereien und Brutalitäten im Vordergrund stehen, sondern die Hauptpersonen auch ihre Gefühle zeigen dürfen. Nur häppchenweise wird der Hintergrund der drei jugendlichen Spezialagenten erzählt. Man legt sehr viel mehr Wert auf das wachsende respektvolle Verhältnis zwischen Captain Greer, der anfangs immer noch an seiner Entscheidung und der Loyalität seiner Mitarbeiter zweifelt, und seinen jugendlichen Undercoveragenten. Die Fälle sind dramatisch und behandeln bereits in der ersten Staffel Themen wie Kinderhandel, Rassismus, Bandenkriminalität, Drogenhandel, Waffenschmuggel, Mord, Sexualdelikte und organisierte Kriminalität. Dabei geraten nicht selten die Undercoveragenten selbst, aber auch Captain Greer in brenzlige und lebensgefährliche Situationen.
Die Darsteller und ihre Rollen
Vor allem aber die Darsteller sind erstklassig ausgewählt. Michael Cole als Pete Cochrane ist der impulsive Typ, der seine Energie nur schwer unter Kontrolle halten kann, aber auch der erste, der sich kopfüber in einen neuen Fall stürzt.
Peggy Lipton, die auch als Sängerin erfolgreich war, ist Julie Barnes, die als Ruhepol in dem ungewöhnlichen Trio fungiert, aber auch psychisch, physisch und emotional am Verletzlichsten ist. Ihre Seele hat tiefe, kaum vernarbte Wunden davongetragen, und Pete und Linc sind die einzigen, die ihr Halt geben. Besonders Fälle, in denen die Gefühle der Opfer im Vordergrund stehen, setzen ihr schwer zu.
Clarence Williams III in der Rolle des farbigen Linc Hayes aber ist die absolute Top-Besetzung in dieser Serie. Selten hat man einen Darsteller dermaßen stoisch dreinschauen sehen, selten hat man einen „Helden“ einer Krimiserie derart emotional agieren sehen, aber Linc Hayes führt auch eine Kelle, die richtig Bums hat und weiß auch mit Kampfsport und Straßenkampfkünsten zu beeindrucken. Wenn Clarence Williams III aber sein Gegenüber mit Blicken fixiert, läuft es einem eiskalt den Rücken hinunter. Nie zuvor hab ich eine solche Ausdruckskraft im Gesicht eines Krimihelden gesehen. Es freut mich besonders, dass Williams auch im vorgeschrittenen Alter noch eine Hauptrolle in einer Krimiserie des amerikanischen Bezahlsenders HBO beschieden war.
Captain Adam Greer schließlich wird von Tige Andrews eindrucksvoll verkörpert, der einem deutschen Publikum bereits einige Jahre zuvor in der ZDF-Vorabendserie „Kein Fall für FBI“ („The Detectives“) aufgefallen war. Damals hatte er den Lieutenant John Russo, die rechte Hand von Captain Matt Holbrook (Robert Taylor) in der zweiten Hauptrolle eindrucksvoll verkörpert. Mit der Rolle des Captain Greer in „Twen Police“ liefert Tige Andrews, zu diesem Zeitpunkt bereits ein alter Hase im klassischen amerikanischen Fernsehgeschäft, sein Paradestück ab. In der deutschen TV-Fassung wurde Tige Andrews übrigens von Edgar Ott gesprochen, der deutschen Stimme von „Kojak“ Telly Savalas. Kein sehr guter Schachzug des Senders, da „Kojak“ ebenfalls in der ARD lief und die Stimme zu bekannt war. Man kann nur vermuten, dass dieser Umstand dazu führte, dass von der „Twen Police“ nur wenige Episoden angekauft und synchronisiert wurden.
Musik und Atmosphäre
Die Titelmusik ist schmissig und eingängig, der Score entspricht dem Zeitgeist der ausgehenden Sechziger und frühen Siebziger Jahre – mit Hammond-Orgel-Klängen, mit Trompeten, Klarinetten und Saxophon, mit Soul und Blues. Das Bild der amerikanischen DVD-Veröffentlichung treibt einem die Freudentränen in die Augen, der Sound ist erste Sahne und rauschfrei. Wer der englischen Sprache zugetan ist, wird hier eine leicht verständliche Mischung aus normalem Englisch und Jive Talk zu hören bekommen, die das Feeling der 68er Generation deutlich transportiert. Es gab in Deutschland ein Fernsehbuch zur Serie aus dem Schneiderverlag, im Englischen sind mehrere Romane zur Fernsehserie erschienen. Eine deutsche DVD-Veröffentlichung der in Deutschland ausgestrahlten Episoden liegt noch nicht vor.
Fazit
Fernsehnostalgikern, die klassische amerikanische Krimiserien mögen, sei diese grandiose Produktion aus der Werkstatt von Aaron Spelling unbedingt ans Herz gelegt. An dieser Serie führt kein Weg vorbei.