VANISHING POINT (1971) – Roadtrip Richtung Legendenstatus

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VANISHING POINT (1971) – Roadtrip Richtung Legendenstatus

„Speed is just a state of mind.“ – Und kaum ein Film hat das je so treffend zelebriert wie Vanishing Point. Regisseur Richard C. Sarafian schuf mit diesem düsteren, psychedelischen Roadmovie ein echtes Kultstück der frühen 70er, das bis heute nachhallt – irgendwo zwischen Mythos, Benzingeruch und blanker Rebellion gegen alles, was nach Norm und System riecht.


Worum geht’s?

Der ehemalige Vietnam-Veteran, Ex-Cop und Rennfahrer Kowalski (gespielt vom großartigen Barry Newman) hat einen simplen, aber ziemlich verrückten Auftrag: Er soll einen weißen 1970er Dodge Challenger R/T 440 Magnum (V8 – für Kenner!) von Denver nach San Francisco bringen. Und zwar in weniger als 15 Stunden. Was folgt, ist ein wilder Höllenritt durch staubige Highways, gespickt mit Verfolgungsjagden, schrulligen Begegnungen und einem immer größer werdenden Medien-Hype um diesen mysteriösen Fahrer, der sich den Autoritäten entzieht.

Ein DJ namens Super Soul, gespielt vom charismatischen Cleavon Little, verfolgt das Geschehen via Polizeifunk und wird zur Stimme des Widerstands – eine Art Funk-Prophet, der Kowalski zur modernen Ikone stilisiert.


Barry Newman – Der Mann ohne Vergangenheit

Newman spielt Kowalski als ruhigen, innerlich zerrissenen Mann – schweigsam, stoisch, aber voller innerem Feuer. Er hat keine Freunde, keine Ziele, nur ein paar düstere Flashbacks und eine klare Richtung: vorwärts. Keine Rücksicht, kein Zurück. Kowalski wird zur Projektionsfläche: für Zuschauer, für Super Soul, für die Polizei und für eine Gesellschaft, die sich gerade selbst zerlegt.


Eine Filmproduktion auf Speed

Regisseur Richard C. Sarafian, selbst Teil der damaligen New-Hollywood-Welle, inszenierte Vanishing Point als Mischung aus Actionfilm, existenzialistischem Drama und Pop-Art-Psychedelia. Gedreht wurde fast komplett on location – quer durch Kalifornien, Nevada und Utah. Die Kameraarbeit von John A. Alonzo (der später Chinatown drehte) fängt die Wüstenlandschaften in flimmernden, fast übernatürlichen Bildern ein. Die Hitze flimmert, der Asphalt kocht, und der Dodge Challenger wird zur entfesselten Bestie auf Rädern.


Fun Facts – für Filmnerds und alle, die’s werden wollen

  • Dodge Challenger als Star: Insgesamt fünf (!) Dodge Challenger wurden während der Dreharbeiten verheizt. Kein Wunder bei dem Tempo.

  • Zensur in UK: Die berühmte Szene mit der nackten Motorradfahrerin (gespielt von der damaligen Schauspiel-Neuentdeckung Gilda Texter) wurde in Großbritannien seinerzeit zensiert. Heute Kult.

  • Steven Spielberg war Fan: Der spätere Meisterregisseur ließ sich von Vanishing Point nachweislich für seinen eigenen Durchbruch „Duel“ inspirieren.

  • Zwei Versionen: In Europa wurde eine erweiterte Fassung mit einer zusätzlichen Szene mit Charlotte Rampling gezeigt – in der US-Fassung fehlt diese fast mystische Begegnung komplett.


Subtext auf Vollgas

Unter der Oberfläche brodelt Gesellschaftskritik pur: Kowalski als Antiheld im Kampf gegen ein System, das ihn ausgespuckt hat. Der Film entstand in einer Zeit, in der Amerika an Vietnam, Rassentrennung und politischer Korruption zu zerbrechen drohte. Der weiße Dodge Challenger wird zum Symbol für Freiheit, Rebellion – und, so man will, auch für völlige Auflösung. Denn: Dieser Trip endet nicht in San Francisco, sondern im Nichts. Im wörtlichen „Vanishing Point“.


Fazit: Asphalt-Poesie für Außenseiter

Vanishing Point ist kein klassischer Actionfilm – er ist mehr: ein wilder Trip, ein cineastisches Gedicht auf Geschwindigkeit, Einsamkeit und das Ausbrechen aus gesellschaftlichen Zwängen. Wer hier nur quietschende Reifen und Blechschäden erwartet, bekommt noch viel mehr: Stil, Substanz und eine gehörige Portion 70er-Philosophie auf Rädern. Und das alles mit einem grandiosen Soundtrack zwischen Rock, Soul und Country.

Ein Film, der sich nicht erklärt – sondern fährt.

Retro-Bewertung: 9 von 10 Funkwellen – Kowalski, du bist unsterblich.

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